Nachhaltigkeit als neuer Werbemittel-Standard

Die Branche der Werbeartikel war lange geprägt von Massenproduktion, Kostendruck und schnellen Lieferzyklen. Wie kann Nachhaltigkeit umgesetzt werden?

Wirtschaftlicher Wandel in unruhigen Zeiten

Während die Politik noch über Investitionen in den Klimaschutz und die Lockerung der Schuldenbremse diskutiert, geraten Unternehmen zunehmend unter Druck. Der Handlungsbedarf ist real: Märkte, Kund*innen und auch Mitarbeiter*innen fordern klare Positionierungen und sichtbare Maßnahmen in Sachen Nachhaltigkeit. Das betrifft nicht nur energieintensive Industrien, sondern alle Branchen. Auch solche, die lange nicht im Fokus standen, wie die Werbeartikelbranche. Gerade in der Welt der Werbeartikel zeigt sich beispielhaft, wie sich Nachhaltigkeit vom „Nice-to-have“ zum echten Wettbewerbsfaktor entwickelt – mit Chancen, aber auch Herausforderungen.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil – der Druck wächst

Immer mehr Unternehmen begreifen nachhaltige Geschäftsmodelle nicht nur als moralisches Gebot, sondern auch als strategische Notwendigkeit. Konsument*innen erwarten Transparenz, Ressourcenschonung und verantwortungsvolles Handeln. Gleichzeitig wächst regulatorischer Druck – von EU-Taxonomien bis hin zu Berichtspflichten.

In der Werbeartikelbranche zeigt sich dieser Wandel besonders deutlich. Eine aktuelle Umfrage belegt: Nachhaltigkeit ist für Lieferanten und Händler gleichermaßen der wichtigste Entwicklungstrend. Dies geschieht jedoch nicht allein aus Imagegründen, sondern aus wirtschaftlichem Eigeninteresse. Kund*innen und Partner*innen fordern schnelle und praktikable Lösungen. Letztlich ist dieses Thema ganz pragmatisch zu betrachten. Zuallererst gilt: Weniger ist mehr – weniger Materialeinsatz, weniger Verpackung, weniger Versandvolumen und Gewicht. Das sind direkte, umsetzbare Ansätze, die wir bei vielen unserer neuen Produkte bereits in der Entwicklung berücksichtigen. Der nächste Schritt sollte den Fokus auf mehr Bewusstsein legen – bewussterer Umgang mit Ressourcen, bewusste Materialauswahl, und das idealerweise schon im Designprozess. Hilfreich ist dabei die Frage: Wie lässt sich ein Produkt so gestalten, dass es nachhaltige Materialien nutzt und sich recyceln oder weiterverwenden lässt? Auch beim Budget gilt: Weniger ist mehr. Das bedeutet einen gezielten Einsatz statt nur Masse. Was wir aktuell verstärkt in den Fokus rücken, ist der Circular-Ansatz, also die Frage, wie Produkte am Ende ihres Lebenszyklus weiter verwendet oder verwertet werden können. Es reicht nicht, nur bis zur Produktion oder Materialwahl zu denken. Entscheidend ist auch, was danach mit dem Produkt passiert.

 Zwischen Ideal und Realität – wie realistisch ist der Wandel?

Die Branche der Werbeartikel war lange geprägt von Massenproduktion, Kostendruck und schnellen Lieferzyklen. Nachhaltigkeit klingt da zunächst wie ein Widerspruch, ist aber längst machbar. Die Herausforderung liegt im Umbau der Lieferketten, im Aufbau verlässlicher Partnerschaften und in der Kommunikation neuer Standards. Zugegeben: Der Wandel braucht Investitionen, Geduld und den Mut, alte Prozesse neu zu denken. Doch er ist realistisch und notwendig. Aus meiner über 30-jährigen Erfahrung in der Branche kann ich nur bestätigen, wie viel Potenzial in nachhaltigen Produktlinien liegt. Das betrifft nicht nur die ökologische Bilanz, sondern auch das Markenprofil unserer Kund*innen. Es gibt nur diesen einen Planeten – einen „Planet B“ haben wir nicht. Das heißt: Wir müssen umdenken und ganzheitlich nachhaltiger agieren. Nachhaltigkeit ist kein Trend, sie ist essenziell. Wir leben in einer Konsum- und Überflussgesellschaft. Gleichzeitig werden die natürlichen Ressourcen weder mehr noch günstiger. Ergo: Wir müssen bewusster mit allem umgehen, insbesondere mit unserem Planeten. Wenn wir zukünftigen Generationen eine lebenswerte Welt hinterlassen wollen, müssen wir jetzt Verantwortung übernehmen.

Hürden und Chancen der Branche – und was andere daraus lernen können

Natürlich gibt es auch hier Stolpersteine, welche die Transformation erschweren können: Fehlende Standards, hohe Bürokratiekosten, begrenzte Verfügbarkeit von Materialien – um nur einige zu nennen. Gleichzeitig sehen wir eine steigende Innovationskraft, neue Geschäftsmodelle (z.B. Mietsysteme, Kreislaufkonzepte) und ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein auf Kundenseite. Diese erleichtern den Weg in Richtung Nachhaltigkeit natürlich. Die Werbeartikelbranche kann hier als Blaupause dienen: Wer in einem preissensiblen Markt wie diesem Nachhaltigkeit umsetzen kann, zeigt, dass es auch in anderen Branchen möglich ist. Die Grundvoraussetzungen Offenheit, Transparenz, Wille zur Transformation  sind übertragbar.

Politische Verantwortung: Der Staat muss jetzt klare Rahmen schaffen

Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung fühlen sich über 70 % der Unternehmen durch politische Unsicherheiten in Sachen Nachhaltigkeit ausgebremst. Gleichzeitig fordert das Forum Nachhaltige Geldanlagen klare Schutzmaßnahmen zur Risikominimierung und eine neue Verlässlichkeit seitens der Regierung. Es ist ja schön, dass uns die EU immer mehr Regularien und Gesetze auferlegt. Doch das Problem sind nicht die Regelwerke selbst – sondern die Flut an Dokumentationen, die daraus resultieren. Für viele KMU ist es schlichtweg unmöglich, diesen Dokumentationsaufwand zu bewältigen. Das muss einfacher, praxisnäher und vielleicht auch ein Stück selbstverantwortlicher umsetzbar sein. Nur so kann Nachhaltigkeit nicht zur Belastung, sondern zum Treiber wirtschaftlicher Stabilität werden.

Fazit: Nachhaltigkeit wird Standard – ob wir wollen oder nicht

Wir stehen an einem Punkt, an dem Nachhaltigkeit nicht länger optional ist. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft entscheidet sich nicht allein in den großen Industriehallen, sondern auch in den alltäglichen Dingen – vom Produktdesign bis zur Werbetasche. Die Werbeartikelbranche zeigt: Der Wandel ist machbar, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ihn gemeinsam gestalten. Wer heute Verantwortung übernimmt, tut nicht nur Gutes und hat morgen ein besseres Image, sondern auch die besseren Karten im Wettbewerb.

Steven Baumgaertner | 05.06.2025

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